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Inspektor Jury besucht alte Damen

Roman

Erschienen am 18.08.2008
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442469659
Sprache: Deutsch
Umfang: 352 S.
Format (T/L/B): 2.6 x 18.8 x 12 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Mit Schirm, Charme und viel Spannung Der Antiquitätenhändler Marshall Trueblood ist fassungslos: In einem wunderschönen antiken Sekretär entdeckt er eine sorgfältig zerlegte Leiche. Inspektor Jury eilt an den Ort des grausigen Fundes, ein herrschaftliches Anwesen auf dem Land. Und an diesem scheinbar so friedlichen Ort sticht er mit seinen Ermittlungen in ein wahres Wespennest: Offensichtlich hatte der Tote, der unsympathische und habgierige Simon Lean, weit mehr Feinde als Freunde. An Verdächtigen herrscht zumindest kein Mangel. Als kurz darauf ein Mord in den Londoner Docklands geschieht, erkennt Jury einen Zusammenhang zwischen dem bizarren Verbrechen auf dem Lande und der Toten, die in einem Ruderboot auf der Themse treibt. Doch der geheimnisvolle Mörder scheint Inspektor Jury und seinem getreuen Helfer Sergeant Wiggins immer einen Schritt voraus zu sein.

Leseprobe

Wenn man sich hier nicht darauf gefasst machte, dass man gleich die Kehle durchgeschnitten kriegte, wo dann? Whitechapel, Shadwell, der Ratcliffe Highway: Bilder vom blutigen East End schossen Sadie Diver jedes Mal durch den Kopf wie Messer, wenn sie auf ihrem nächtlichen Weg von Limehouse Schritte hinter sich hörte. Sie musste immer noch daran denken, als ihre Absätze schon das feuchte, von Nebel verschleierte Pflaster von Wapping entlangklapperten. Und geschnappt hatten sie ihn auch nicht, oder? Nicht weit her mit der Polizei. Vor ihr schimmerte die Leuchttafel des Fisch- und Aalgeschäftes kränklich gelb durch den dichten Dunst. Lebende Aale. Gekochte Aale. Aal in Sueltze. In den letzten beiden Monaten hatte sich Sadie Diver mehr mit Schreiben und Lesen beschäftigt als in den ganzen achtundzwanzig Jahren zuvor. Sie wusste, dass dort ü statt ue hätte stehen müssen und dass das T in dem Wort nichts zu suchen hatte. Bin wahrscheinlich die Einzige, die in Wapping auf Achse ist und das weiß, dachte sie. Von der Wohnung in Limehouse bis zum »Stadt Ramsgate« waren es zu Fuß zwanzig Minuten, und sie war verärgert, dass er sie zu einer so genannten »Kostümprobe« dorthin bestellt hatte. Mein Gott, als ob sie das nicht schon ewig und drei Tage durchgekaut hätten! Und dass Tommy morgen Abend auf Besuch kam, das hatte sie ihm vorsichtshalber gar nicht erzählt. Er hätte sie glatt umgebracht. Als Sadie auf gleicher Höhe mit dem Fischgeschäft war, kamen sie einfach auf sie zu: Sie waren nur zu dritt, aber sie schafften es, wie eine ganze Mauer von Punks zu wirken, als sie aus den Schatten der Seitengasse neben dem Laden auftauchten; einer spuckte in die Gosse, einer lächelte irre, einer machte ein steinernes Gesicht. Das übliche »Hallo Süße«, die üblichen Zoten, während sie ihr wie festgewurzelt den Weg versperrten. Alles, was in ihrem Rücken geschah, machte sie nervös; mit dem, was vor ihr war, konnte sie fertig werden. Darin hatte Sadie Übung. Tatsache war, sie hatte darin so viel Übung, dass ihre Hand automatisch in die Umhängetasche fuhr und mit einem Schnappmesser wieder zum Vorschein kam. So unvermutet blitzte es im wässrigen Schein der Leuchttafel auf, dass sie auseinander fuhren, ihr noch etwas über die Schulter zuriefen und sich hinter dem Nebelvorhang in die Seitengasse davonmachten. Im rauchig wirkenden Schein einer Straßenlaterne blieb sie stehen und warf einen Blick auf ihre Uhr. Sie vergrub die Hände in den Taschen des alten Regenmantels, ein Fetzen, den sie normalerweise nicht ums Verrecken angezogen hätte, und tastete im Weitergehen nach dem Messergriff. Er hatte gewollt, dass sie trug, was sie bei all ihren Treffen getragen hatte und was sie auch an jenem letzten Tag tragen würde. Jedenfalls betrachtete sie diesen Tag gerne als den letzten Tag ihres alten Lebens. In diesem Fetzen und ohne Make-up, wie hatten die Typen sie da nur anmachen können? Solche dicken Nebelschwaden hatte sie schon lange nicht mehr gesehen. Und dabei hatten sie den 1. Mai. Frühling. Kalt wie Klostermauern; kalt wie eine Nonne. Sie stellte den Kragen hoch und lächelte bei dem Gedanken an die Barmherzigen Schwestern. Sie hielt sich für eine gute Katholikin, aber eine noch bessere hatte sie eben nicht werden wollen. Sie und Nonne. Zum Totlachen. Sie bog nach links ab und dann nach rechts, schlug die schmale Straße am Fluss ein. Wieso hatte er sich bei Wapping Old Stairs mit ihr treffen wollen und wieso ausgerechnet jetzt, wo der Pub schon zu hatte? Eine Wand aus Speichern türmte sich in der Dunkelheit vor ihr auf und hüllte sich in die Nebelschleier, die von der Themse herüberwehten. Es war ihr, als müsste sie sie wie Spinnweben beiseite wischen, doch sie klebten an ihr. Als sie an der Hauptwache von Wapping vorbeikam, musste sie lächeln. Die Wache war hell erleuchtet und nach elf Uhr ungefähr das einzige Zeichen von Leben hier. Als sie den Pub »Stadt Ramsgate« erreichte, hörte sie schon wieder Schritte hinter sich. Die Gleichen konnten es nic Leseprobe