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Reflexive Mediävistik

Textus - Opus - Feudalismus, Campus Historische Studien 64

Erschienen am 16.08.2012, Auflage: 1/2012
79,00 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593397382
Sprache: Deutsch
Umfang: 578 S., ca. 19 Abb.
Format (T/L/B): 3.5 x 21.5 x 14.2 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

InhaltsangabeInhalt Vorausworte im Nachhinein11 Textus 1.Alteuropäische Schriftkultur Ausgangsdimensionen und Grundtatsachen41 2.Vom Mönchslatein zum Schriftdeutsch Über die Dynamik der Schriftkultur im Mittelalter55 3.Pragmatische Rechenhaftigkeit? Kerbhölzer in Bild, Gestalt und Schrift64 4.Teilen, Aufzählen, Summieren Zum Verfahren in ausgewählten Güterverzeichnissen des 9. Jahrhunderts98 5.Numerus vel ratio Zahlendenken und Zahlengebrauch in Registern der seigneurialen Güter- und Einkünftekontrolle im 9. Jahrhundert123 6.Register und rekenschap Schriftordination in der Wirtschaftsführung der Abtei Werden (12. bis Anfang 16. Jahrhundert)169 7.Sind mediävistische Quellen mittelalterliche Texte? Zur Verzeitlichung fachlicher Selbstverständlichkeiten184 8.Zwischen Improvisation und Text Schriftanthropologische Erwägungen eines Jazzamateurs und Mediävisten zur Musikhistorie217 Opus 9.Vom BrauchWerk zum Tauschwert Überlegungen zur Arbeit im vorindustriellen Europa249 10.Opus feminile Das Geschlechterverhältnis im Spiegel von Frauenarbeiten im früheren Mittelalter279 11."Arbeit" und "Gesellschaft" vom späten 10. zum frühen 12. Jahrhundert Bemerkungen anhand vorwiegend urbarialer Überlieferung nördlich der Alpen316 12.Die dreidimensionale Werk-Sprache des Theophilus presbyter "Arbeits"semantische Untersuchungen am Traktat De diversis artibus341 13.Zurück zu Kunst und Werk? Ein mediävistischer Essay zur mittelalterlichen Vorgeschichte der modernen Arbeitsgesellschaft402 Feudalismus 14. Feudalismus Versuch über die Gebrauchsstrategien eines wissenspolitischen Reizworts 419 15.Mediävalismus und Okzidentalistik Erinnerungskulturelle Funktionen des Mittelalters und das Epochenprofil des christlich-feudalen Okzidents452 16.Das Huhn und der Feudalismus479 17.Censum dare Vorstudien zur herrschaftlichen Aneignungssprache im Deutschen Reich im Spiegel von Besitz- und Zinsregistern (12. bis 15. Jahrhundert)485 Mediävistische Anthropologie 18.Zwischen Lupe und Fernblick Berichtspunkte und Anfragen zur Mediävistik als historischer Anthropologie537 Veröffentlichungen und Manuskripte568

Autorenportrait

Ludolf Kuchenbuch war Professor für Ältere Geschichte an der Fernuniversität Hagen und lebt in Berlin. Der Band bündelt seine zentralen Aufsätze zu einer anthropologisch inspirierten Sozialgeschichte des Mittelalters.

Leseprobe

Alles historische Arbeiten kommt um die Frage des Überliefertseins der Zeugnisse, die zu untersuchen sind, als primärer Aufgabe nicht herum. Die Materialität und Form der mittelalterlichen Schriftstücke (scripta), die Art ihrer Herkunft, ihres Status als schriftliche, bildliche oder figürliche Stücke (die beschriftet sind), sowie die Wege ihrer Überlieferung bilden das Feld, ohne dessen Aufklärung keine weitere Untersuchung fruchten kann. Aber warum konnte für die Betitelung dieser Problemlage nicht der Begriff der Schrift bzw. der Quelle oder des Textes genügen, warum wurde der lateinische Begriff textus gewählt? Nur die ganze erste Sektion des Buches selbst kann hierzu ausreichend antworten. Nur so viel sei hier angedeutet: Das lateinische Wort textus (und später auch das deutsche Fremdwort Text) ist im Verständnis des langen Mittelalters kein Passepartout für jedwedes Schriftstück. Es wird selten benutzt, und wenn, dann nahezu exklusiv für die Heilige Schrift als liturgischer Gegenstand (Evangelienbuch) bzw. für die visuelle Ordnung und den inneren Sinn wortlautstabiler Schriften (wie der Bibel). Die Folgerung: Im Mittelalter sprach man kaum von textus - wenn, dann übertragen aus diesem engen Ausgangsbereich. Was aber sind dann die unzähligen scripta eigentlich, und welche materialen, formalen, inhaltlichen Wandlungen sind bei ihnen erkennbar, in welchen Verständigungsforen wirken sie, wer hat den Nutzen von ihnen? Dieser ganze Teil des vorliegendes Bandes ist also Text-Kritik, zielt auf die Differenz zwischen den mittelalterlichen Schriftstücken und dem modernen Textverständnis, das ja durchgehend die Forschungsmethodik leitet: der modernen (Text-)Hermeneutik. Ohne Historisierung des Textes und die Gebrauchsanalyse der scripta keine Mediävistik - so lautet die Devise. Die Reihe der acht Beiträge beginnt mit Bestimmungen der Basiselemente der alphabetischen Schriftkultur insgesamt und geht dann zum Bestand derjenigen Charakteristika über, ohne welche die lateineuropäische Schriftkultur, ihr Machtpotential und ihre enorme Wandlungsdynamik im Mittelalter - einschließlich der aufkommenden vernakulären Schriftwerke - nicht verständlich wird (1). Die entscheidenden Wandlungsetappen dieser sozial begrenzten Klerus-Literalität werden im anschließenden Beitrag, darauf aufbauend, von der Spätantike bis zur Reformation möglichst anschaulich dargelegt (2). Danach folgen vier Detailstudien über Schriftstück-Typen bzw. -Gattungen, mit deren Hilfe regiert werden konnte: Kerbhölzer (3); Besitz- und Einkunftsregister, Urkunde, Rechtsbuch, Rechnung (4,5 und 6). Sie alle verdanken sich dem mündlichen Wissen an der lokalen Sozialbasis (Verschriftung durch Visitation und Inquisition) und wurden von den Herrschaftsbeauftragten für interne Zwecke bearbeitet (Verschriftlichungen). Beiden Vorgängen wohnten Möglichkeiten eines verbesserten Umgangs mit allen Elementen des Schriftstücks inne (Rolle/Kodex, Seiten-Layout, Figur, Buchstabe, Ziffer, Zeichnung, Zeichen usf.), der langfristig auf stumm lesbare Aneignung und effektivere Nutzung hinauslief. Es ging um visuelle und kalkulatorische Ordinations-Gewinne durch kleinschrittige Verdeutlichungen, Ergänzungen und Formalisierungen. Umgekehrt, von heute aus gesagt: Es ging um Beiträge zur Genealogie der modernen Rationalisierung und Numeralisierung des Schreibens, Denkens und Rechnens bei der Erfassung und Manipulation der sozialen Wirklichkeit (Herrschaftspraxis). Diese Ausrichtung der Beiträge auf den Schriftmachtwandel verstehe ich als Korrektiv zu dem in der Mediävistik vorherrschenden Interesse an Literalitätstypen und -praktiken in Kultus und Kultur der geistlichen und weltlichen Aristokratien. Eine kritische Auseinandersetzung mit mediävistischen Text- und Textualitätskonzepten dient daher im folgenden Beitrag dazu, ausgehend von einigen mittelalterlichen textus-Geschichten gängige Indienstnahmen des modernen Text- und Quellen-Begriffs für die mediävistische Arbeit zu hinterfragen (7). Sei

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