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Der Mann, der die Wörter liebte

Eine wahre Geschichte, Sonderausgabe

Erschienen am 15.02.2006
12,95 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783813502251
Sprache: Deutsch
Umfang: 284 S.
Format (T/L/B): 2.7 x 20.6 x 13.4 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Simon Winchesters erstes Buch in bibliophiler Ausstattung

Simon Winchester erzählt die wahre Geschichte der außergewöhnlichen Freundschaft zwischen Professor Murray, dem Herausgeber des legendären Oxford English Dictionary, und einem sprachverliebten Mörder, der zum wichtigsten Mitarbeiter an diesem Projekt wird. Ein packender Roman über Genie, Wahnsinn und die Liebe zu den Wörtern.


Leseprobe

Vorwort Einer weitverbreiteten Legende zufolge fand eine der ungewöhnlichsten Unterhaltungen der neuzeitlichen Literaturgeschichte an einem kühlen und verhangenen Herbstnachmittag des Jahres 1896 in dem kleinen Dorf Crowthorne in Berkshire statt. Einer der Beteiligten dieses Gesprächs war der formidable Dr. James Murray, der damalige Herausgeber des Oxford English Dictionary. An dem fraglichen Tag war er von Oxford aus fünfzig Meilen mit der Bahn gefahren, um einen rätselhaften Menschen namens Dr. W. C. Minor kennenzulernen, einen der produktivsten unter den Tausenden freiwilliger Mitarbeiter, ohne deren Bemühungen das Dictionary niemals zustande gekommen wäre. Seit nunmehr annähernd zwanzig Jahren hatten sich diese beiden Männer in einem regelmäßigen Briefwechsel über die Feinheiten der englischen Lexikographie ausgetauscht. Sie waren sich jedoch nie begegnet. Minor schien sein Heim nie verlassen zu wollen oder zu können und seinen Weg nach Oxford zu finden. Er gab indessen keinerlei Erklärung für sein Verhalten und begnügte sich damit, sein Bedauern zu bekunden. Dr. Murray, der sich seinerseits nur selten von der Last der Arbeit in seiner Schreibstube in Oxford befreien konnte, hatte dennoch schon seit langem den sehnlichen Wunsch gehegt, seinen mysteriösen und faszinierenden Helfer zu treffen und ihm zu danken. Ganz besonders stark wurde der Wunsch Ende der neunziger Jahre, als das Dictionary bereits so gut wie zur Hälfte abgeschlossen war: Die geistigen Urheber wurden mit offiziellen Ehrungen überschüttet, und es war Murray ein Anliegen, alle Beteiligten - selbst solch offensichtlich scheue Menschen wie Dr. Minor - für ihre wertvolle Arbeit gebührend zu würdigen. Und so beschloß er, ihm einen Besuch abzustatten. Als er seinen Entschluß gefaßt hatte, teilte er seine Absicht telegraphisch mit. Er fügte hinzu, es käme ihm sehr gelegen, einen Zug zu nehmen, der an einem bestimmten Mittwoch im November kurz nach zwei am Bahnhof von Crowthorne - der damals allerdings Wellington College Station hieß, weil er der berühmten Knabenschule in dem Dorf als Bahnanschluß diente - eintraf. Dr. Minor telegraphierte zurück und teilte Murray mit, er würde erwartet und sei höchst willkommen. Als Murray in Oxford aufbrach, war das Wetter schön und der Zug pünktlich - kurzum, die Fahrt stand unter einem guten Stern. An der Bahnstation in Crowthorne standen ein eleganter Landauer und ein livrierter Kutscher bereit. James Murray stieg ein. Dann ging es unter dem Klappern der Hufe über die schmalen Landstraßen von Berkshire. Nach etwa zwanzig Minuten bog die Kutsche in eine lange Auffahrt ein, die von hohen Pappeln gesäumt war, und hielt schließlich vor einem großen, sehr abweisend wirkenden roten Backsteinbau. Ein steifer Lakai führte den Lexikographen nach oben in ein Studierzimmer voller Bücher, wo hinter einem riesigen Mahagonischreibtisch ein zweifellos bedeutsamer Mann stand. Dr. Murray verneigte sich ernst und hob zu der kurzen Begrüßungsrede an, die er schon so lange eingeübt hatte: 'Einen schönen guten Tag wünsche ich Ihnen, Sir. Ich bin Dr. James Murray vom Londoner Philologenverband und Herausgeber des New English Dictionary. Es ist mir eine große Ehre und eine Freude, schließlich doch noch Ihre Bekanntschaft zu machen - denn Sie, werter Herr, müssen mein eifrigster Helfer, Dr. Minor, sein.' Einen Augenblick lang herrschte Stille und auf beiden Seiten eine gewisse Verlegenheit. Eine Uhr tickte laut. Auf dem Gang hallten dumpfe Schritte. In der Ferne wurde mit Schlüsseln gerasselt. Dann räusperte sich der Mann hinter dem Schreibtisch und sagte: 'Ich bedaure, mein Herr. Es ist mitnichten so, wie Sie vermuten. Ich bin der Direktor der Straf- und Irrenanstalt Broadmoor. Dr. Minor ist in der Tat hier, doch er ist ein Insasse. Er ist seit über zwanzig Jahren Patient. Er ist von allen am längsten hier.' Die offiziellen behördlichen Akten zu diesem Fall sind geheim und befinden sich seit über hundert Jahren unter Verschluß Leseprobe